Der Indische Priester

Neben dem Guru, über den ich im Verlauf meiner Indienreisen schrieb, gibt es eine weitere Gestalt, deren Autorität niemals in Frage zu stellen ist, es ist der Priester.

Lange ist es her, dass ich in einem Buch las ‚… so wird der Priester für alle Zeit ein notwendiges Übel bleiben‘.  Damals verstand ich das noch nicht, heute kann ich dem nur zustimmen.

Ich habe hervorragende Priester erlebt, Priester, die die Puja, wie das Verehrungsritual im Hinduismus genannt wird, zu einem erhebenden Erlebnis werden lassen. Meistens sind die Priester Brahmanen, also die oberste Kaste, muss aber nicht sein, und es gibt auch Frauen, die den Ritus vollziehen.

Die Mehrzahl der Priester, die ich sowohl in Indien als auch in Deutschland erlebte, waren Geschäftsleute – Dienstleister, die Riten verkaufen, jedes Wort, jede Handlung kostet.

So gibt es in Indien Tempel, die Nicht-Hindus verschlossen sind. Damit habe ich kein Problem, gehe ich eben in einen anderen. Es ist nur so, dass die Priester dieser Tempel draußen vorzugsweise auf Westler warten, die Sakramente erteilen und dann die Hand aufhalten. Das ist der Widerspruch. Den Westler mag man nicht im Tempel, aber sein Geld ist doch willkommen.

Weiterhin streifen Priester durch die Gassen und schnappen sich Westler, um ihnen einen Ritus außerhalb des Tempels zu einem horrenden Preis zu verkaufen. Ich fiel da mehr als einmal drauf rein.

Nach der Puja geht der Priester mit einem Tablett herum und ein jeder Gläubige legt einen Betrag drauf. Meist sind es Münzen, ich gebe gern mehr, einst einen zehn Rupie Schein. Der Priester schaute mich an und meinte es würde 100 Rupies kosten … geistesgegenwärtig nahm ich meinen 10 Rupie Schein wieder zu mir und ging.

Nun zu Deutschland, wo es inzwischen auch etliche Hindu Tempel gibt. In einem war ich gern zu Gast und als ein Priester aus Indien eingestellt wurde kümmerte ich mich um den administrativen Ablauf.

Er bekam als Willkommen der Stadt eine kostenlose Fahrkarte für den gesamten Verkehrsverbund, gültig einen Monat. Als der Monat um war meinte er, er bekäme nächsten Monat wieder eine kostenlose Karte, er sei Brahmane. Ich konnte mir das zwar nicht vorstellen, war mir aber egal. Er würde schon auf mich zukommen, wenn er etwas brauchte. Ich hörte nichts mehr von ihm, aber er kaufte sich dann eine Monatskarte für die Zonen, die er benötigte um mobil zu sein.

Wochen später wollte er Deutsch lernen, ging ich also in die Volkshochschule, holte das Programm und zeigte ihm die Möglichkeiten, die Kurse kosteten so um die 300 Euro. Ich bekomme das umsonst, ich bin Brahmane, hörte ich nun schon zum zweiten Mal und diesmal ging mir ein Licht auf.

Aha, so läuft das also in Indien, die Herrschaften nutzen ihren Status gnadenlos aus. Der Priester bzw. der Brahmane, der Mittler zwischen dem Gläubigen und Gott … gibt man ihm nicht das Gewünschte, schwärzt er einen vielleicht beim lieben Gott an. Für den Inder hat Religion mehr Gewicht als für uns, wir können uns das vielleicht nicht mehr vorstellen, aber früher denke ich war das bei uns ebenso, dem Herrn Pfarrer hat man vorsichtshalber keinen Wunsch abgeschlagen und sein Bier in der Kneipe nahe der Kirche musste er sicher auch nicht bezahlen … das ist ja auch ein Stück weit in Ordnung, solange die eine Seite die andere nicht ausnutzt.

Ich selbst hatte einmal die Ehre, einem komplexen Ritus vorstehen zu dürfen. Acht Priester waren daran beteiligt. Nach jeder Etappe war ein jeder mit 5 Euro zu entlohnen. Soweit so gut. Nur gab es Phasen, die von weniger als den acht Priestern durchgeführt wurden, sage ich mal von dreien. Fünf verschwanden, tauchten aber exakt zum Ende wieder auf, um die 5 Euro zu kassieren.

Seit diesen Erlebnissen verstehe ich den eingangs erwähnten Satz nur zu gut.

Doch es gibt auch andere … darüber lesen Sie im nächsten Beitrag.