Vorruhestand

Ich war ein Arbeitstier, wollte das vierzigjährige Firmenjubiläum feiern und am besten am Schreibtisch sterben. Mitte der 1980er Jahre wurde das erste Vorruhestandsprogramm aufgesetzt, weitere folgten. Da standen plötzlich Kollegen in der Tür und verabschiedeten sich von heute auf morgen. Ich glaube 60 war die Untergrenze. Zu was sollte ich darüber nachdenken?

Es war so um die Jahrtausendwende, als eine Kollegin – mehr zu sich selbst – sagte: ‚Ich gehe mit 50.‘ Das blieb irgendwie haften … nach ein paar Tagen beschloss ich, auch mit 50 zu gehen. Ja, warum nicht? Die Arbeit hatte ihr Alleinstellungsmerkmal verloren, es gab noch anderes Schönes im Leben.

Die 50 rückte näher, nur, es gab seit langem kein Angebot mehr. 2005 war ich über meinen Geburtstag an der Algarve zum Wandern. Als ich zurückkam überraschte mich mein Bereichsleiter mit einem ganz besonderen Geburtstagsgeschenk … es habe ein Angebot gegeben, er habe mich angemeldet. Ich war allen Ernstes eligibel. Man konnte mit 50 in Vorruhestand. Ich musste nur das Angebot abwarten, ob ich es mir ‚leisten‘ konnte. Mitte Mai kam es und das Ende meiner Berufstätigkeit rückte näher. Nachdem ich Steuerberater und BfA konsultiert hatte unterschrieb ich. Das war also mein letztes Jahr. Mir wurde leicht schwindelig und ich musste mich setzen, als ich erfuhr, dass alle, die das Angebot annehmen, zum 30. Juni freigestellt würden. Das waren keine vier Wochen mehr.

Am 30. Juni 2005 streifte ich 32 Jahre Berufsleben ab, ich war nun frei wie ein Vogel. Besagte Kollegin übrigens nahm die Chance nicht wahr, man machte natürlich viel Geld ‚kaputt‘. Ja, aber ich war bereit, Geld gegen Freiheit zu tauschen. Viele Jahre Leben wurden mir so geschenkt.

Mein 40 qm Appartement hatte ich 1999 gegen eine Traumwohnung mit Dachterrasse getauscht … als nun unter mir eine kleinere und billigere Wohnung frei wurde zog ich da hinein. Nun hatte ich nur noch einen Balkon, der aber auch viel weniger Arbeit machte als die Dachterrasse, und eine auf Nordwesten beschränkte Aussicht. Die Küche war kleiner und nicht so edel und das Bad war kein Tageslichtbad mehr. Das war’s dann schon an Unterschied. Dank der Abwrackprämie tauschte ich mein ehemals teures Auto und kaufte mir ein billiges. Einschränkungen, die für mich keine Einbuße an Lebensqualität darstellen. Die Zeit des großen Konsums war eh vorbei. Ich hatte mich nicht umsonst mit dem Gedankengut der Asiaten befasst – noch ein Paar Schuhe macht nicht glücklich. Auf keinen Fall verzichten wollte ich auf meine Indienreisen und aufgrund des Internets hatte ich nun eine ganz andere Auswahl.